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Zyklusorientiert leben als Mama

Hast du das Gefühl, dein Zyklus schwächt dich?

Ganz ehrlich - ich auch immer wieder. 

In meinem Kopf entstehen gerade Bilder von meiner Zeit vor der Periode und währenddessen: Ich, erschöpft. Ich, wütend. Ich, einsam. Ich, konfliktprovozierend. Mein Körper, schwer, wund, unbelastbar. Abwehr entsteht in mir: Ich will das nicht. Ich, hilflos.

 

Und schon während ich dies schreibe, merke ich, dass ich das Wort "Zyklus" unbewusst völlig falsch abgespeichert habe und seine Bedeutung fast automatisch immer wieder missverstehe. 

Bedeutung von "Zyklus"

Das Wort "Zyklus" stammt ursprünglich vom Lateinischen cyclus (altgriechisch kyklos) und bedeutet "Kreis, Kreislauf, Ring, Rad, Auge". Der Zyklus meint eine kreisförmig in sich geschlossene Folge zusammengehöriger Vorgänge. 

Es ist kein Zufall, dass man bei Frauen von weiblichem Zyklus spricht. Man meint dabei nicht nur die Periode oder damit einhergehendes, sondern den gesamten Kreislauf, der von Periode zu Periode stattfindet (und selbst dann, wenn eine Frau nicht blutet). 

 

 

Ich betone das hier - obwohl es logisch klingt - deshalb so, weil ich glaube, dass es tief in unseren Köpfen eine Fragmentierung gibt. Man beachtet lediglich die Periode als Phänomen, die etwa einmal im Monat kommt, und bewertet sie als Fehlblutung, weil keine Befruchtung stattgefunden hat. Ihre Symptome sind im Alltagsgeschehen lästig.

Doch dass es in uns Frauen einen Kreislauf gibt, der sich über (etwa) ein ganzes Monat zieht und der immer wieder aufeinander aufbaut, so wie es Jahreszeiten tun, ist uns meist nicht bewusst. Für mich ist es ein Zeichen dessen, wie weit wir uns von der Natur wegbewegt haben.

Und ich merke am eigenen Leib, besonders nun als Mama, wie kräftezehrend, gar erschöpfend es ist, gegen unsere Natur anzukämpfen. 

Gesellschaftliche Werte vs. Natur

Unsere Geschichte hat aus uns eine patriarchalisch geprägte Gesellschaft geformt. Ich möchte die Geschichtsbewegungen nicht bewerten, aber darauf hinweisen, dass unsere Lebensorientierung der (weiblichen) Natur nicht gerade zuträglich ist. 

Arbeit und Leistung stehen ganz oben auf der Prioritätenliste. Und unsere Arbeitsstrukturen sehen immer gleiche Leistungen vor, Tag für Tag. "Ich muss zur Arbeit" entschuldigt in unserer Gesellschaft beinahe alles: Das Fehlen auf einer Beerdigung oder Hochzeit, Gesundheitsprobleme,  das Verabsäumen, genug Zeit und Energie für die eigenen Kinder zu haben. 

Für unseren Begriff von Wohlstand verzichten wir auf sehr viel. 

 

Auch, unsere innere Kraft zu spüren, die uns naturgegeben ist. Denn wenn wir Frauen unseren Zyklus beachten und ihn als Orientierung nutzen, werden große Energien frei. 

Qualitäten und Bedürfnisse im Zyklus

Es ist am Anfang nicht immer einfach, zyklusorientiert zu leben. Denn, es bedeutet entgegen der gesellschaftlichen Maxime verschieden produktiv zu sein. Also nicht mitzuschwimmen. Und wir wissen, dass wir als soziale Wesen in erster Linie zutiefst dazugehören wollen. 

Gelernt haben wir es auch nicht. 

Das Gute ist aber, dass das Wissen zutiefst in uns eingeschrieben ist, weil es natürlich ist. Vor allem unser Körper kann uns führen. Unseren Körper achtsam wahrnehmend erscheint es auf einmal ganz leicht. 

Und zum Glück ist auch schon viel theoretisches Zykluswissen am Markt, das unseren Verstand mitnehmen kann. 

 

So weiß man, dass sich der weibliche Zyklus in 4 Phasen gliedert, wobei jede dieser Phasen eigene Bedürfnisse und Qualitäten mit sich bringt. Je besser man in der gegenwärtigen Phase die Bedürfnisse achtet und Qualitäten auslebt, umso mehr arbeitet die darauffolgende Phase für uns. 

Man kann die Phasen an unsere Jahreszeiten anlehnen und damit intuitiv erkennen, was gerade gebraucht wird. 

www.familiengarten.org/zyklisch-leben
www.familiengarten.org/zyklisch-leben

Auch eine Schwangerschaft ist zyklisch, nur wesentlich ausgedehnter. Das erste Trimester entspricht in etwa dem Winter. Das zweite dem Frühling und Sommer, das dritte in etwa dem Herbst. Mit der Geburt oder kurz zuvor startet "der Winter der Winter", der meist bis zum Ende des sogenannten "4.Trimesters", des Wochenbettes, andauert. 

Jene vorgefertigten Bilder von strahlenden, glücklichen und aktiven Schwangeren sind meist jene aus dem 2. Trimester. Solche Schwangeren sehen wir auch am öftesten, weil sie zyklisch das Bedürfnis haben, "sich sehen zu lassen"/ unter Leuten zu sein.

Zyklisch leben als Mama

 

Bis mein Sohn 14 Monate alt war, waren meine Tage stark von Erschöpfung geprägt. Die Bedingung, die dazu am meisten beitrug, war bestimmt der Schlafmangel.

Ich hasste die Erschöpfung. Sie machte aus mir jemanden, den ich schwer aushielt. 

 

Aber dann lernte ich, der Erschöpfung zu lauschen. Ihr gar einen Sinn zuzugestehen, so schwer es in manchen Momenten auch war. (Und ich bin nach wie vor erst dabei, sie wirklich anzunehmen.)

Etwas, was sie mir schon ganz lange und sehr geduldig zuflüstern möchte, ist, dass ich gegen meine zyklische Natur ankämpfe. Dass ich verstehen soll, dass alles seine Zeit hat und ich mich nicht fürchten brauche, weil ein Zyklus sich auch immer wieder schließt. Zyklus als Kreislauf regelmäßig wiederkehrender Dinge. Erst durch dieses Annehmen und Hingeben wird der Kreis ganz und mit ihm fühle auch ich mich ganzer. 

 

Die Schwierigkeitsstufe ist als Mama eines Babys oder Kleinkindes (geschweige denn von mehreren Kindern) tatsächlich hochgedreht. Denn es gilt, die Bedürfnisse mehrerer zu jonglieren. Meine Erfahrung ist, je bedürftiger ich bin, umso mehr Co-Regulation braucht mein Sohn. Dann äußert auch er viel mehr Bedürfnisse, aber halt noch nicht verbal oder eindeutig, weil er erst 19 Monate alt ist. Und je unruhiger er ist, umso bedürftiger werde ich. Don Quijote gegen die Windmühlen??

Mir gefällt momentan mehr das Bild von der Elbin Galadriel in der Serie "Die Ringe der Macht". Noch stärker als die machtvollen Widrigkeiten ist eine Stimme in ihr, die nach einem Fall immer wieder aufsteht: eine schier nicht umzubringende Hoffnung. 

Konkrete Tipps

Ich mag das Wort "Tipp" wesentlich mehr als "Ratschlag". Denn es erscheint freier, ist mehr Impuls als Aufforderung. 

Und fühlt man sich völlig erschöpft, sind Ratschläge wirklich Schläge: eine weitere Aufforderung, etwas zutun, wo man doch kaum noch Kräfte hat. 

 

Ich möchte an dieser Stelle eher Erzählen als Auffordern. Eventuell dadurch inspirieren, kreativ zu sein und eigene Wegen zu gehen. Dabei ist weniger mehr. 

  • Ein Morgen, an dem ich schwer aus dem Bett komme und/oder schlecht drauf bin bedeutet zugleich, dass ich es langsam angehen und mich sammeln soll. Das ist bei mir oft in meinem (zyklischen) Herbst und Winter. Aber natürlich kann es auch ein andermal vorkommen. Da gilt dasselbe. 
    Ich erledige dann nur die obersten Prioritäten (wie Windelwechseln und Hungerstillen bei meinem Sohn), bevor ich mich zu ihm auf den Teppich setze und mir selber Aufmerksamkeit schenke. Das tue ich durch bewusste Atmung, Reinspüren in meinen Körper und meine Emotionen. Ich habe auch eine ganz kurze Anbindungsvisualisierung, die mir gut tut und mit ihren 2 Minuten alltagstauglich ist. 

  • Alltagstauglich! Ich greife das Wort gleich auf, denn auch in der Arbeit mit meinen Klienten erfahre ich, dass was uns am meisten daran hindert, achtsam mit uns zu sein, der Mangel an Alltagstauglichkeit ist. Zum Beispiel: Meditieren geht nur in einem ruhigen Raum, alleine, mit Handy (geführt) und mindestens 15 Minuten. 
    Ich breche alle Übungen, die mir wirklich gut tuen, auf das Geringste herunter. Nur dann lässt es sich tatsächlich in meinen Alltag integrieren. 

  • Das, was uns gut tut, soll sich nicht wie eine weitere Pflicht anfühlen. Es darf geschmackvoll, individuell, situativ, leicht sein. Und: Me-Time muss nicht sinnvoll sein.  

  • Wenn es heiß hergeht, jemanden bitten, eine Weile auf das Kind aufzupassen. Womöglich kann/freut sich wer. Mir Unterstützung zu holen fällt mir oft lange nicht ein. 

  • Soviel es geht barfuß gehen. Ich fühle mich wesentlich stabiler dadurch.

  • Zyklusmitschrift. Und sei es nur ein tägliches + oder - für ein paar Monate.
    Ich konnte z.B. dadurch erforschen, dass der 21. Tag meines Zykluses meist ein besonders herausfordernder ist.

  • In meinem Herbst schaut es mir daheim immer zuviel aus. Alles kommt mir schmutzig und unordentlich vor. Das führt häufig zu Konflikten mit meinem Partner. Ich lerne gerade, meinen Männern ihren Raum für Chaos zu lassen und trotzdem mein Bedürfnis nicht zu ignorieren. Mein Praxisraum ist dann mein Raum zum Aufatmen, da ist es ordentlich und sauber. Besonders spannend finde ich meine derzeitige Beobachtung, dass ich morgens am intensivsten auf Unordnung reagiere. Außerdem, nach einer regulierenden Übung wie ich sie im ersten Punkt beschrieben habe, verändert sich meine Wahrnehmung: Es sieht danach nicht mehr so aus. 

  • Treffen mit Freunden und Familienfeste genieße ich am meisten im Frühling und Sommer. Wenn es geht, plane ich den Großteil meiner sozialen Aktivitäten in dieser Zeit. Wenn nicht, dann halte ich sie eher kurz und knackig.
    Herbst und Winter plane ich mir auch nicht gerne mehr als 2 Klienten an einem Tag ein. Ich merke zwar, dass ich in dieser Zeit sehr qualitativ, aber nicht quantitativ arbeiten kann. 

  • Diesen Text verfasse ich im zyklischen Winter. Reflexion und Struktur freut mich im Frühling und Sommer weniger.

  • Wenn ich im Herbst mehr/öfter esse, fühle ich mich emotional viel stabiler. Außerdem wirkt ein Glas kaltes Wasser ex bei mir fast Wunder. 

Wofür?

Ich wünsche mir, dass es für unsere Töchter einmal ganz normal und selbstverständlich ist, sich ihrer innewohnenden Kräfte zu bedienen. Sich gemeinsam wegen ihres Zykluses stark zu fühlen und all ihre Facetten ausleben zu dürfen. 

 

Ich weiß, das geht nur, wenn wir es vorleben. Wenn wir selber es lernen. 

 

"Selbst der Kleinste vermag den Lauf des Schicksals zu verändern."
(Galadriel)

 

 

PS: Ich habe die Anfrage erhalten, wie die kurze Anbindungsvisualisierung aussieht, von der ich weiter oben erzähle. 
Falls du auch Interesse daran hast, sende mir gerne eine Anfrage über das Kontaktformular, dann schicke ich dir die Aufnahme davon zu. 

 

PPS: Buchtipp zum Vertiefen des Themas: Superpower Periode von Maisie Hill;