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Idyllische Radtour durch die Arena

 

Das sonnige Wetter lockte mich auch heute hinaus. Ich warf mich auf´s Rad und fuhr immer weiter meiner Nasenspitze nach. Diese führte mich durch wunderbare Hausruckviertel- Hügellandschaft:  von der Wiege des Weberbartls, entlang der Spuren der Römer bis hin zur traumhaften Erhebung über dem Thermalquellgebiet. Der Weg war gesäumt von den ersten Blüten, grasendem Wild & Vogelgezwitscher.

 

Klingt so schön, fast kitschig.

Wäre da nicht der Wind gewesen.
Ich fochte Kämpfe mit mir aus! Die eine Stimme („Engel-Irene“) meinte: „Schau doch, wie schön alles ist. Wie gut du es hast, dass du wochentags einfach durch die Gegend fahren darfst. So frei! Genieße doch!“
Die andere Stimme („Zynismus-Irene“) entgegnete: „Ja eeehhh. Aber wie soll man das denn genießen?! Ständig bergauf & von drei Seiten Gegenwind! Von wegen das Leben meint es gut mit uns: 3 von 4 Lose sind eine Niete…“

 

Es war zum Mäusemelken. Beide Stimmen hatten recht.
So fuhr ich, & ließ die beiden vor sich hin diskutieren. Engel-Irene war richtig in Fahrt & überzeugte mich erstmal von ihren Argumenten. Ich fühlte mich frei, privilegiert und stark.
Die Waage aber kippte nach der ersten Stunde, als die Sonne rarer, der Wind kälter und meine Energie weniger wurde.

 

Und da bemerkte auch ich die Gemeinheit. Der Wind, der von rechts und links kam, bewirkte dasselbe wie der Gegenwind: er verstärkte die Anstrengung - v.a. bergauf –ungemein.
Vom Rückenwind, der höchstens noch von einer Seite kommen konnte, war überhaupt nichts zu spüren.
Zynismus hatte Überhand genommen.

 

Natürlich ging es längst nicht mehr um den Wind.
Seitdem ich gekündigt habe, sind Monate vergangen. Es war ein langer, harter Weg, bis ich mich traute, zu gehen.
Ich erwartete als Gegenleistung insgeheim, dass dafür dann alle Bahnen einlenkten:
Dass aller Ballast von meinen Schultern abfiele, eins zum anderen führte, & plötzlich jemand vor der Tür stand, der mir meinen Traumjob anbieten würde.

 

Stattdessen habe ich das Gefühl, dass ich feststecke.
Ich mühe und mühe mich ab, von Berufungscoaching bis Energetiker-Besuche habe ich alles durch, ich arbeite an meinen Themen, nutze den Tag, glaube fest,
& trotzdem habe ich das Gefühl, es geht nicht wesentlich bergauf. Schon gar nicht spüre ich Rückenwind. Eher: Gegenwind von drei Seiten!
Zum Mäusemelken.

 

An einen boshaften, garstigen Gott glaube ich nicht, wenn auch die Verlockung manchmal groß ist.
Deshalb: Warum? Warum ist das so?

 

In der Logotherapie sagt man, man solle statt dem „Warum“ eher nach dem „Wofür“ fragen.
Ich versteh schon den Sinn dahinter. Das „Wofür“ befähigt uns, nach vorne zu schauen, wohingegen man am „Warum“ nichts mehr verändern kann.
Aber manchmal ist die Anlegestelle am inneren Hafen noch nicht frei für das „Wofür“, weil noch etwas an seinem Platz parkt.
Und dann hilft das „Warum?!“, Emotionen frei zu machen, wie Wut, Groll, Trauer, Angst, Ohnmacht. 

Es geht vielleicht gar nicht darum, eine Antwort zu erhalten. Ist es überhaupt eine ernstgemeinte Frage?
Die Emotionen- sie müssen den Hafen verlassen & Platz machen, damit man nach vorne schauen kann. Und das tun & wollen sie auch. Sie wollen sogar nichts lieber, diese Kinder der Freiheit.
Würden wir sie nicht in uns festhalten, hätten wir gar keine Probleme mit ihnen.

 

Ist dann der Dampf abgelassen, funktioniert auch das klare Denken wieder.
Viktor Frankl darf vorsichtig wieder in´s Spiel kommen: „Es kommt nicht darauf an, wie die Dinge sind, sondern wie du damit umgehst.“

 

Ja, vielleicht ist da manchmal wirklich viel Gegenwind.
Aber es gibt durchaus Wege, damit umzugehen.
Zum Beispiel Routen wählen, die auf natürliche Art immer wieder Windschutz bieten – Waldstücke, Baumzeilen.
Vielleicht entdecke ich meine Leidenschaft für Thermik & beginne, meine Routen wie ein Adler anzulegen- immer der Windrichtung angepasst.
Womöglich kann ich einen Gang runter schalten, und mir (und meinem Stolz) gewähren, das Rad auch mal zu schieben, wenn es steil bergauf geht.
Eine Möglichkeit wäre auch, meine Radausflüge auf Tage zu verlegen, an denen es windstill ist.


Oder ich lasse das Radfahren ganz bleiben. Ja, richtig gehört: selbst das ist eine Variante.
Sogar eine, bei der man sich ziemlich viel erspart. Niemand zwingt einen zum Radfahren.
Und niemand zwingt mich, meiner Berufung nachzugehen. Es wäre völlig okay, zu resignieren. Meine Entscheidung.
 
Da erst wird einem bewusst, dass man gar nicht anders kann, als weiterzukämpfen.
Die Sehnsucht, die Lust am Spiel & die Liebe zum Leben, so schwer es auch oft erscheint, – sie sind die Kräfte, die uns anlocken, antreiben, betören.
Welchen Sinn hätte das Leben ohne sie?

 

 

„Es ist nicht der Kritiker, der zählt,
nicht derjenige, der aufzeigt, wie der Starke gestolpert ist
oder wo der, der Taten vollbracht hat, sie hätte besser machen können.

Die Anerkennung gebührt dem,  der wirklich in der Arena ist;
dessen Gesicht verschmiert ist von Staub und Schweiß und Blut;
der tapfer strebt;
der irrt
und wieder und wieder
scheitert,
denn es gibt keine Anstrengung ohne Irrtum und Fehler;
der jedoch wirklich danach strebt,  die Taten zu vollbringen;
der die große Begeisterung kennt,
die große Hingabe,
und sich an einer würdigen Sache verausgabt;
der, im besten Fall, am Ende den Triumph der großen Leistung erfährt;
und der,
im schlechtesten Fall,
wenn er scheitert,
zumindest dabei scheitert, dass er etwas Großes gewagt hat,
so dass sein Platz niemals bei den kalten und furchtsamen Seelen sein wird,
die weder Sieg noch Niederlage kennen.“

 

Theodore Roosevelt, 1910

 

 

 

 

 

Und da tut sich mir noch eine Frage auf:
Wenn es windstill ist, kommt dann Rückenwind von allen 4 Seiten?